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BGH: Keine Geldentschädigung für Namensnennung in Demonstrationsaufruf

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass dem Bundestagsabgeordneten für die Partei Die Linke, der in einem Demonstrationsaufruf der Partei Freie Sachsen namentlich genannt worden war, kein Schadensersatzanspruch wegen dieser Namensnennung zusteht. Ferner stellt der BGH in der Entscheidung klar, dass die Verbreitung des Namens im Telegram-Beitrag unter das Medienprivileg fällt, da der Beitrag der Mitwirkung an der politischen Willensbildung dient.

Der Kläger hatte für den 5. September 2022, 19.00 Uhr unter dem Titel „Preise runter – Energie und Essen müssen bezahlbar sein“ eine Demonstration auf dem Leipziger Augustusplatz vor der Oper angemeldet. Hieran anknüpfend meldete auch die Beklagte für denselben Tag zur selben Uhrzeit auf demselben Platz vor dem Gewandhaus eine Demonstration an („Freie Sachsen unterstützen den Montagsprotest von […Name des Klägers] und Der Linken – gemeinsam gegen die da oben“ an. Über den Telegram-Kanal „Freie Sachsen“ wurde ein Beitrag mit der Überschrift „GETRENNT MARSCHIEREN, GEMEINSAM SCHLAGEN!“ veröffentlicht. Der Beitrag ist mit dem Motto „LIEBER DEMONSTRIEREN ALS ZU HAUSE FRIEREN!“ versehen und enthält die Unterüberschrift „Montag (5. September) großer Protest in Leipzig – quer durch alle politischen Lager der Opposition!“ Zwischen der Überschrift und der Unterüberschrift werden sechs Personen aufgelistet, u.a. dem Compact-Magazin, dem Demokratischen Widerstand und den Freien Sachsen zugeordnete Personen sowie ein langjähriger Spitzenpolitiker und der Kläger jeweils für die Partei Die Linke.

Nachdem der Kläger zuvor erfolgreich die Löschung des Beitrags erwirkt hatte, begehrte er nun – im Ergebnis ohne Erfolg – die Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 15.000 €.

Nach Ansicht des BGH fehlt es an der für die Zuerkennung einer Geldentschädigung erforderlichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Denn die Aussage, der Kläger paktiere mit Kräften des äußersten rechten Spektrums, lasse sich dem Beitrag nicht eindeutig zu entnehmen. Dieser sei vielmehr – insbesondere unter Berücksichtigung der Überschrift – mehrdeutig, da jedenfalls ein Teil der Leser dem angegriffenen Beitrag eine Kooperation des Klägers mit den benannten Vertretern der Beklagten nicht entnehmen, sondern im nachfolgenden Text eine Beschreibung getrennter, unabhängig voneinander organisierter Protestmärsche erwarten werde. Da der Beitrag damit eine nicht persönlichkeitsrechtsverletzende Deutung zulasse, scheide eine Verurteilung zu einer Geldentschädigung wegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG aus.

Ein Schadensersatzanspruch besteht nach der Entscheidung des BGH auch nicht nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Denn die Verbreitung des den Namen des Klägers nennenden Beitrags auf dem Telegram-Kanal falle in den Geltungsbereich des Medienprivilegs (Art. 85 Abs. 2 DSGVO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 4 MStV), sodass die DSGVO keine Anwendung finde. Die hierzu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten „zu journalistischen Zwecken“ liege nach der Rechtsprechung des EuGH dann vor, wenn sie zum Zweck hat, Informationen, Meinungen oder Ideen mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Der Beitrag auf dem Telegram-Kanal diente – so der BGH – dem Ziel, auf die öffentliche Meinungsbildung ein- und an der politischen Willensbildung mitzuwirken, sodass die Namensnennung zu „journalistischen Zwecken“ erfolgte.

Der BGH legt den Begriff „journalistische Zwecke“ hier ausdrücklich weit aus. Danach dürfte das Medienprivileg bereits immer dann einschlägig sein, wenn eine Veröffentlichung als gezielter Beitrag zur öffentlicher Meinungsbildung verstanden werden kann. Dies dürfte bei Beiträgen in sozialen Medien vielfach der Fall sein, sodass hieran anknüpfende Streitigkeiten über die Veröffentlichung personenbezogener Daten allein nach dem deutschen Äußerungs- und Persönlichkeitsrecht und gerade nicht über Art. 82 DSGVO zu lösen sind.

Mehr hierzu in der Pressemitteilung des BGH v. 29.07.2025.